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Jürgen Bruckmann von Bruckis Büdchen in Duisburg im Interview

05 May 2021

Jürgen Bruckmann, besser bekannt als „Brucki“ ist ein gefragter Mann: Er hat einen Vollzeitjob bei Vodafone in Düsseldorf und saniert ein großes Mehrfamilienhaus. Statt sich nach einem anstrengenden Arbeitstag auszuruhen, stellt er sich jedoch abends für mehrere Stunden ins Büdchen. Zusammen mit seiner Frau Verena und ein paar Angestellten versorgt er damit an sieben Tage pro Woche die Nachbarschaft in Duisburg Hochheide.


Im Telefon-Interview im März 2020 verriet er, wie es dazu kam, dass er in seiner Freizeit hinter der Büdchen-Theke steht und was es mit dem unvorhergesehenen Hype um das Böllerbier auf sich hatte.


Du hast einen Vollzeitjob in Düsseldorf. Wie lässt sich das mit dem Betreiben eines Büdchens in Duisburg vereinbaren? Das lässt sich ganz gut miteinander verheiraten, weil meine Frau, also die Verena, den ganzen Tag über im Büdchen ist. Und wir haben zusätzlich drei 450 € - Kräfte, die einen Teil unseres Tagesgeschäfts abdecken. Alles andere machen wir im Background, sozusagen. 


Ich habe gelesen, dass das Büdchen bereits seit 40 Jahren im Besitz deiner Familie ist. Wer stand da schon alles hinter der Ladentheke? Bist du mit dem Büdchen groß geworden? Ja, ich bin quasi mit und in und an dem Büdchen aufgewachsen: Kurz nachdem ich geboren wurde, ist es eröffnet worden von meiner Mutter und meiner Schwester, die haben das zunächst zusammen gemacht. Da war das allerdings schwerpunktmäßig eine Pommesbude verknüpft mit einer Trinkhalle. Mein Vater war nebenher noch selbstständig als Elektromaschinenbaumeister, der hatte quasi im Hinterhof seine Werkstatt. So hatte ich zwei selbstständige Elternteile und bin da immer so ein bisschen hin- und her geswitcht zwischen dem Büdchen und der Werkstatt meines Vaters. 

Irgendwann wurde das ein bisschen viel für meine Mutter, weil meine Schwester sich aus dem Büdchengeschäft zurückgezogen hat. Meine Eltern haben das Büdchen dann verpachtet. Das war dann auch für etwa 30 Jahre verpachtet. Vor noch nicht allzu langer Zeit sind meine Eltern verstorben und das Familienhaus stand leer und der letzte Pächter hat dann beschlossen nach Kanada auszuwandern. Da wir keinen guten Nachpächter gefunden haben, haben wir dann relativ spontan entschieden, dass wir das Büdchen weiterführen.


Das Büdchen ist im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Wohnst du auch in dem Haus? Genau so ist das. Das Elternhaus habe ich vor einer Weile gekauft und mittlerweile wohnen wir auch hier. Im Moment noch ein bisschen provisorisch in einer der Mietwohnungen und wir sind gerade dabei, das Haus zu sanieren. Wir ackern uns jetzt vom Dach nach unten und werden Stück für Stück modernisieren und sanieren und dann auch tatsächlich hier wohnen bleiben.

Das Büdchen ist im Ursprung auch schon immer ein Ladenlokal gewesen. Dieses Haus ist um 1900 gebaut worden von einem Bäckermeister und der hatte unten im Erdgeschoss eine Bäckerei. Der Bäcker hatte im hinteren Teil auf dem Grundstück seine Backstube und konnte dann im Grunde hinten backen und vorne verkaufen. Ich weiß nicht, wann die Bäckerei dann letzten Endes geschlossen wurde, ich glaube das ist im Krieg irgendwie passiert. Es ist dann aber immer ein Ladenlokal geblieben. Da war so ein Tante-Emma-Laden drin, da war auch mal ein Jeans-Geschäft drin und irgendwann ist es dann von meinen Eltern zu einer Trinkhalle gemacht worden. 


Deine Frau hat ja auch noch ein eigenes Label – das V!-Label – deren Produkte sie auch in eurem Büdchen verkauft, richtig? Genau, also wir teilen das so ein bisschen auf. Also quasi doppelt-selbstständig. Hauptberuflich bei mir dann noch bei Vodafone und dann noch hier diesen dezenten kleinen Altbau sanieren. Also im Moment haben wir wirklich mehr als genug zu tun. 


Ich habe gelesen, dass ihr selbst designte Postkarten in eurem Büdchen verkauft. Hast du die Fotos selbst geknipst? Ja, ich bin leidenschaftlicher Hobby-Fotograf schon seit wahnsinnig vielen Jahren, ich habe auch eine sehr professionelle Ausrüstung. Und als ich noch Zeit hatte in meinem Leben (lacht) bin ich viel unterwegs gewesen und habe fotografiert. Also im Grunde die ganze Bandbreite von Portraitfotografie über Landschaftsfotografie und Lost Places. Es entspannt und entschleunigt mich einfach und macht auch wahnsinnig viel Spaß. 


Wie viele verschiedene Motive hast du aktuell? Ich habe vier Motive, das war einfach nur mal so ein Versuch. Das ist natürlich nicht unser Kerngeschäft, aber wir versuchen so ein bisschen die Lokalschiene und die Ruhrpottschiene aufzugreifen. Allerdings ist es hier im Stadtteil manchmal auch nicht so leicht die Leute zu begeistern. Das haben wir mit vielen Dingen schon probiert und wir haben bei vielen Dingen festgestellt, dass das nicht so wahnsinnig gut angenommen wird. Es ist halt überwiegend dieses Standardgeschäft, was man in einer Trinkhalle so verkauft. Aber mittlerweile haben wir uns auch einen guten Stammkundenkreis erarbeitet, die auch auf unsere Sprüche und auf das, was wir anbieten, abfahren und das versuchen wir natürlich auch noch weiter auszubauen. In diesem Jahr spielt uns da Corona natürlich auch echt einen Streich, weil wir uns einiges überlegt hatten, das wir jetzt erstmal auf Eis gelegt haben. Vielleicht zünden wir die Raketen dann im nächsten Jahr. 


Sehr gut angenommen wurde ja aber das Sprengbier, beziehungsweise Böllerbier, oder? Was hatte es damit auf sich? Ja, das ist mega gut angenommen worden! Fast zu gut, das ist echt eskaliert. Das war ja mehr so eine spontane Idee. Ich habe ein Foto von dem Hochhaus gemacht, das da gesprengt wurde und habe das auf Dosen drucken lassen mit einer Beschriftung. Und dann habe ich das ins Netz gestellt und da sind echt alle drauf angesprungen. Am Tag der Sprengung hatte ich hier sämtliche Fernsehsender: Ich hatte die BILD-Zeitung hier, ich hatte den WDR hier, RTL, wir sind hier echt überrannt worden und haben palettenweise das Bier verkauft. Was so gar nicht geplant war. Also es war super, es hat tierischen Spaß gemacht und das hat uns natürlich auch jede Menge Kundschaft beschert. 


Wie viel Bier hast du produzieren lassen, wie viele Dosen waren das? Kann ich dir nicht so genau sagen, aber es könnten an die 1000 Dosen gewesen sein.


War da dann Bier einer lokalen Brauerei drin? Das habe ich leider nicht geschafft, obwohl ich das gerne gehabt hätte. Wir stehen ja auch in ganz gutem Kontakt zu den Jungs vom Brauprojekt 777. Eigentlich wollte ich von deren Bier etwas, aber das war produktionstechnisch leider nicht möglich. Ich habe leider keinen lokalen Produzenten gefunden, der bereit war, mir in einer relativ kleinen Auflage was abzufüllen. Letzten Endes war dann in den Dosen ein bayrisches Bier.

Bayrische Biere sind ja auch solide Biere, da gibt es schlimmere. Es war keine Plörre! (lacht).

Bitte verrate uns, wie bei dir im Moment ein normaler Tag aussieht. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Das ist natürlich kein Büdchentag. Gewöhnlicherweise stehe ich morgens zwischen 7 und 8 Uhr auf, dann brauche ich mindestens ein bis zwei Tassen Kaffee, um reden zu können, und dazu rauche ich auch eine Zigarette. Wenn ich dann geduscht bin und Zähne geputzt habe, breche ich auf nach Düsseldorf. Das ist natürlich meistens mit einem hohen Verkehrsaufkommen verbunden und sehr nervig. Und dann verbringe ich meinen Tag bei Vodafone und der Tag geht meistens bis 18 oder 19 Uhr. Dann mache ich Feierabend, fahre zurück und gehe dann zu meiner Frau ins Büdchen. Da bin ich dann noch die letzten zwei, drei Stunden im Büdchen vertreten, arbeite da noch weiter und helfe mit. Wir besprechen dann was wir bestellen müssen und dann geht der Tag zu Ende. Und dann sitzen wir noch zusammen, essen etwas und sind dann meist auch hundemüde. 


Aber das Büdchen wirkt im Vergleich zum Bürojob wahrscheinlich ein bisschen mehr wie Freizeit oder ein Hobby, abgesehen von bürokratischen Aufgaben? Ja, im Grunde schon. Es ist natürlich auch ein großer Kontrast, den ich aber auch sehr angenehm empfinde. Wenn du im Büdchen stehst, hast du natürlich mit ganz anderen Leuten zu tun, als den Tag über im Büro. Das lockert einen dann noch am Ende des Tages auf, wenn man dumme Sprüche kloppen kann, sich mit irgendwelchen Leuten bei einer Tasse Kaffee unterhalten kann. Das ist natürlich eine komplett andere Welt, die aber wirklich sehr guttut und dann kann man nochmal ein bisschen lachen. Das ist eine ziemlich ideale Situation. 


Wenn du jetzt nicht mit dem Büdchen aufgewachsen wärst, hättest du dir trotzdem Duisburg Hochheide für euer Konzept ausgesucht? Definitiv, ja. Also das ist schon ein ziemlich perfekter Standort und das schon seitdem es das Büdchen gibt. Wir haben direkt gegenüber von dem Büdchen diese eine Wohnsiedlung, die aus halbhohen und sehr hohen Hochhäusern besteht und dadurch einfach wahnsinnig viele Leute, die auch den Bedarf haben, bei uns einzukaufen. Das liegt für ein Büdchen sehr perfekt. 


Versteh mich nicht falsch, aber als nicht-Duisburger muss man diese Frage fast stellen: Ist euer Klientel nett? Duisburg hat ja solche und solche Ecken… Wir liegen genau dazwischen. Das ist ja der Stadtteil Duisburg Homberg bzw. Hochheide und wir haben im Grunde hinter unserem Haus ein Wohngebiet, das nur aus Einfamilienhäusern besteht. Links runter ist eine sehr gute Wohnlage, die sogenannte Haesen da wohnen gut situierte Leute. Gegenüber ist es so ein bisschen gemischt. Wir haben einen sehr bunten Kundenkreis vom Chefarzt und Anwalt bis zum Sozialhilfeempfänger haben wir das ganze breite Spektrum. Und wir bedienen auch dieses ganze breite Spektrum. Wir haben unser Sortiment auf alle Bedürfnisse ausgerichtet. Du kriegst bei uns eine sehr gute Flasche Wein oder auch einen preiswerten Wein. Genauso bei Bier oder Tabakwaren oder was auch immer. Dieses große Spektrum verschiedener Kunden ist auch spannend, finde ich. Weil bei uns am Schalter viele Begegnungen stattfinden, die da draußen sonst nicht stattfinden würden. 


Was gefällt dir an dem Konzept der Kulinarischen Schnitzeljagd? Das Konzept an sich gefällt mir sehr gut. Was mich begeistert ist, dass ihr tatsächlich auch den Duisburger Westen eingeklammert habt, weil solche Aktionen hier sonst eher an uns vorbeilaufen. Die Ladenlokale hier üben nicht so eine große Anziehungskraft auf Leute aus, die zum Beispiel aus der City kommen oder aus dem Duisburger Süden. Das finde ich wirklich toll, dass der Duisburger Westen mitbedacht wurde, um die Leute auch mal auf die andere Rheinseite zu locken, die bei uns hier wirklich sehr schön ist und auch viel zu bieten hat. 


Worauf freust du dich am Eventtag am meisten?  Am meisten freue ich mich tatsächlich auf die Menschen. Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen, ihnen eine Freude zu bereiten und hier so ein kleines Unterhaltungsprogramm zu bieten. Außerdem freue ich mich natürlich auch darauf, was Leckeres durch den Schalter zu reichen. Da müssen wir uns noch Gedanken zu machen, dass wir den Leuten was Originelles und Tolles mit auf den Weg geben können. Da werden wir aber sicher was Schönes finden. Da habe ich auch die richtige Frau an meiner Seite, die ist ja sozusagen Kreativ-Direktor bei uns.

Stichworte: Interview  Duisburg 

Über die Kulinarische Schnitzeljagd

Die Kulinarische Schnitzeljagd ist eine Genusstour, bei der die Teilnehmer Duisburg neu erschmecken, allein oder mit Freunden, auf dem Rad oder anders.
In unserem Genussmagazin stellen wir Restaurants, Cafés und Feinkostläden vor und veröffentlichen Interviews und Berichte zu kulinarischen Themen.